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von David Diefenbach

Von der Sichel zum Mähdrecher

Die technische Entwicklung unseres Dorfes.

Bis zum 18. Jahrhundert ging die technische Entwicklung nur langsam voran. Obwohl der Handel blühte, hat man bis zum 19. Jh. mit verhältnismäßig primitiven Mitteln den Ackerbau betrieben. Wir wissen, dass der erste Pflug ein aus Hartholz krummgeformter Ast war, der am unteren Teil eine schräge Spitze hatte, womit der Boden aufgerissen wurde. Es dauerte viele Jahrhunderte bis der Pflugkörper aus Eisenstahl hergestellt wurde. Zuerst war der Pflugkörper, welcher die Ackerkrumme umkippte, ziemlich flach gehalten, daher der Name Porzeller. Im 18. Jh. dürfte dann die bis heute beibehaltene Form der Pflugkörper entstanden sein. Es setzte sich zuerst der Schwingpflug ohne Vorderwagen, dann der Drehpflug mit Vorderwagen, welcher eine leichtere Führung ermöglicht, durch.

Neben dem Pflug war die Holzegge im Gebrauch, deren Rahmen und Zinken bis zum 18. Jh. aus Holz waren. Ende des 18. Jh. und besonders im 19. Jh. kamen die Eisenzinken auf. So nahm die Entwicklung ihren Fortgang. Heute sind Pflug und Egge ganz aus Eisen.

Auch der Wagen als Transportmittel ist von altersher im Gebrauch. Schon die Germanen kannten den Wagen. Er war aus Holz gefertigt, mit zwei großen Rädern. Später baute man den Wagen mit vier Rädern und beweglicher Vorderachse. Diese drei Geräte waren Jahrhunderte die am meisten gebrauchten Großgeräte. Neben den vielen Kleingeräten, wie Hacken, Schaufeln, Karsten, Gabeln und anderen, nahm in erster Linie die Sichel einen wichtigen Platz ein. Sie ist ein halbkreisförmiges Gerät aus Stahlblech, mit einem Holzgriff versehen, womit man zuerst das Gras und das Getreide schnitt.

Bald darauf wurde die Sense geschaffen, ein schmales hohlgeschmiedetes Stahlblech mit einer scharfen Schneide. Dieses säbelartige Gerät wurde an einem langen Holzstiel, Sensenwurf genannt, befestigt.

Mit dem Dreschflegel, einem schmalen Hartholzknüppel, welcher mit einem breiten Schweinslederriemen an einem glatten Holzstiel befestigt war, wurde das Getreide in den Wintermonaten ausgedroschen. Beim Dreschen mit drei oder vier Mann musste besonders auf den Takt (Drei bzw. Viertakt) geachtet werden, sonst schlug einer dem anderen auf den Flegel.

Nach dem Ausdrusch wurde die Frucht gereinigt, dies geschah noch bis zum 19. Jh. mit der Wurfschaufel aus Holz, später wurde diese aus Stahlblech ersetzt. Die Fruchtreinigung wurde wie folgt vorgenommen: Man schleuderte die Frucht im weiten Bogen durch die Tenne, die Frucht fiel durch ihre Schwerkraft zuerst nieder und die Spreu, welche leichter war, blieb auf der Frucht liegen; so konnte die Spreu. mit einem feinen Reiserbesen abgekehrt werden.

Im 19. Jh. wurde dann die Wind- oder Fegmühle erfunden. Nun wurde das Reinigen der Frucht erheblich leichter. Auch dieses Gerät will ich näher beschreiben, damit die kommenden Generationen es sich besser vorstellen können. Es war ein länglich geformter Kasten, der oben einen Trichter hatte zum Einfüllen des ungereinigten Getreides. Vorne waren Siebe, weiter hinten in der Mitte, waren radförmige Holzflügel (Windflügel) angebracht. Durch Handantrieb mit dem Schwengel lief die Frucht über die hin- und her rüttelnden Siebe. Der durch das Drehen erzeugte Wind blies die Spreu nach vorn heraus. Hinten fiel die gereinigte Frucht auf einem schräg liegenden Brett herunter, und wurde dann mit dem Simmern in den Sack gefüllt.

Ende des 19. Jh. kam dann die Dreschmaschine mit Göbelantrieb auf. Es war ein mit Zahnrädern versehenes Getriebe, das durch Zugtiere, über einen langen, mit dem Getriebe verbundenen Balken in Bewegung gesetzt wurde. Durch die Übersetzung der Zahnräder wurde die Antriebswelle auf eine gewisse Geschwindigkeit gebracht, die auf die Maschine übertragen wurde und den Dreschvorgang ermöglichte.

Doch bevor ich die weitere technische Entwicklung in der Landwirtschaft vom 19. Jh. an in unserem Dorf aufzeichne, soll das goldene Handwerk, welches man dem Ackerbau gleich stellen kann, erwähnt werden. Es hat mit dem Ackerbau seinen Anfang genommen. Schon aus der jüngeren Steinzeit (4000 - 2000 v. Chr.) wird uns berichtet, dass die Menschen gewebte Kleider aus Wolle und Leinen trugen, und Häuser aus Lehm und Bohlen bauten. Somit dürfte auch mit der Entstehung unseres Dorfes der Handwerker darinnen Platz gefunden haben. Davon zeugen alte handwerkliche Hausnamen, welche einzelne Häuser heute noch führen; zum Beispiel: Schneiders, Schusters, Wagners, Schmidts, Zimmermanns, Leinewebers, Schlössers, Kiefers, Bäckers, Schäfers, Sattlers, Spenglers und andere, die inzwischen erloschen sind. Einige Einwohner erlernten das Maurerhandwerk und fanden außerhalb des Dorfes in den Städten Arbeit. Auch von den Dachdeckern früher Strohdeckern, sowie von den Krämern, die Gemischtwaren verkauften, wird heute noch gesprochen.

Die Bäcker und die Metzger dürften erst im 19. Jh., das heißt, ab 1870/ 80 ihre Geschäfte in Mensfelden angefangen haben. Mancher Bürger betätigte sich im Winter als Hausmetzger.

Von Mensfelden wird berichtet, dass im 18. und 19. Jh. zwei Leineweber für die Bürger Stoffe gewebt haben.

In den letzten Jahrzehnten gingen viele Handwerksbetriebe in den kleinen Orten ein. Die Industrie stellte viele Dinge des täglichen Gebrauchs viel billiger und zweckmäßiger her.

Wohl dem Dorf, das heute noch einen Handwerker hat.

Von jeher war das Handwerk mit der Landwirtschaft in einer Dorfgemeinschaft eng verbunden, auch die Arbeiter und Handwerker, die außerhalb des Dorfes ihren Lebensunterhalt fanden, fühlen sich als untrennbares Glied Ihrer Heimatgemeinde. Gerade weil das 20. Jh. in dieser Beziehung so viel verändert hat, soll die gute, alte ortsgebundene Gemeinschaft noch einmal erwähnt werden.

Nun will ich von der Weiterentwicklung, insbesondere der landwirtschaftlichen Maschinen, fortfahren. Durch die Erfindung der Dreschmaschine, welche noch mit einer Dampflokomobil getrieben wurde, trat eine erhebliche Erleichterung beim Dreschen der Frucht ein. Mehrere Bauern unseres Dorfes gründeten eine Gesellschaft und kauften eine mit einem Dampflokomobil angetriebene Dreschmaschine. Brauchte man bis dahin 2 - 3 Wintermonate zum Ausdrusch der Frucht, so konnte man nun mit dieser Maschine in einem Tag die Ernte eines landwirtschaftlichen Betriebes dreschen. Mit 12 - 15 Mann, die sich gegenseitig halfen, wurde gedroschen, wobei das gute Frühstück mit Handkäs und Schnaps nicht fehlen durfte.

Etwas später kam schon die zweite Dreschmaschine ins Dorf, welche der Privatmann, Wilhelm Frickhöfer, anschaffte. Interessant war das Rücken der Maschine von Hof zu Hof, mit zwei langen Wagenseilen, die an die Maschine angeknüpft wurden, zogen je nach Steigung 20 - 30 Mann auf das Kommando! ho ruck , (manche schrien auch einen hupp), wurden die schweren Dreschkästen Stück für Stück bis ins nächste Gehöft gezogen.

Nach Ende des ersten Weltkrieges ging der Dreschmaschinenbetrieb Wilhelm Frickhöfer ein. Die Maschine wurde verkauft. Da kam der Dreschmaschinenbesitzer Karl Faust aus Oberneissen ins Dorf, wo er auch durch Verheiratung verblieb. Anfang 1930 wechselte auch die Gesellschaftsmaschine ihren Besitzer. Neuer Besitzer wurde Schmiedemeister Christian Schmidt. Obwohl Karl Faust inzwischen schon eine selbstfahrende Lokomobil hatte, kamen beiden auf den Gedanken, einen Lanzbulldog anzuschaffen. Dies brachte großen Vorteil; man brauchte kein Wasser, keine Kohlen für die Heizung und besonders das schwierige Rücken brauchte nicht mehr von Hand vorgenommen werden. Nach dem zweiten Weltkrieg erfolgte eine weitere Verbesserung, indem man Elektromotoren zum Antrieb verwendete.

Im Jahre 1907/08 kamen die ersten Mähmaschinen ins Dorf, die von Zugtieren gezogen wurden. Dadurch gab es große körperliche Erleichterungen bei der Getreideernte und beim Grasmähen. Doch die technische Entwicklung in der Landwirtschaft ging laufend weiter. Es folgten bald die Sämaschinen, die Kartoffelmaschinen, für Saat und Ernte, die Heuwender und viele andere Geräte zur Arbeitserleichterung. Eine viel bewunderte Maschine kam damals ins Dorf, es war der Getreideselbstableger. Er legte die Klecken, die man bei der Mähmaschine noch von Hand weglegen musste, ohne menschliche Hilfe maschinell zur Seite. Aber sie fand trotzdem keinen Anklang. Es waren nur zwei Bauern, die einen Getreideableger hatten, Karl Ruß und Wilhelm Lieber. Die Maschine musste von zwei Zugtieren gezogen werden. Da man meistens nur ein Pferd hatte, spannte man eine Kuh dabei. Ende der zwanziger Jahre war auch diese Maschine schon wieder überholt. Der Getreideselbstbinder eroberte das Feld. Man glaubte damals, dass keine vollkommenere Maschine dieser Art ihm mehr folgen würde, aber auch dies war eine Täuschung. Die ersten Getreidebinder in Mensfelden hatten die Bauern, Wilhelm Aug. Schumann und die Gebr. Karl und August Schumann. Die ersten Binder waren noch eisenbereift, aber schon Mitte der dreißiger Jahre gab es die

Getreidebinder mit Gummibereifung. Im zweiten Weltkrieg gab es kaum noch Anschaffungen. Aber nach dem Krieg wurde dies nachgeholt so, dass man bis 1960 ca. dreißig Getreidebinder in Mensfelden zählte.

Schon vor dem zweiten Weltkrieg kamen die ersten gummibereiften Ackerwagen ins Dorf, die von unseren Dorfschmieden gebaut wurden. Anfangs hat man nur die Achsen mit den Rädern an den alten Bauernwagen ausgewechselt, und von alten Autos die Achsen mit Rädern eingebaut.

An den ersten gummibereiften Wagen erinnert mich ein schönes Erlebnis, was ich mit dem inzwischen verstorbenen Schmiedemeister Willi Euler hatte. Kurz vor dem zweiten Weltkrieg kaufte Willi Euler ein altes Fordauto auf dem Westerwald, welches sein erster gummibereifter Wagen werden sollte. Da dasselbe noch fahrbereit und zugelassen war, bat mich Willi Euler, der noch keinen Führerschein Klasse III hatte, denselben vom Westerwald nach Mensfelden zu fahren. Es war für mich ein besonderes Erlebnis von einem kleinen Dixi in einen großen Fordwagen umzusteigen. Als wir beide mit dem großen Personenwagen durch den Westerwald fuhren, wurden wir in allen Dörfern von vielen Neugierigen bewundert. Wir kamen uns vor, als ob wir zu den Kapitalisten zählten. Selbst in Mensfelden wurden wir in der großen Herrschaftskutsche bewundert. Voller Begeisterung stand W. Euler vor seinem großen Wagen, er konnte sich vorerst nicht entschließen, ihn auszuschlachten. So kam es, dass wir mit dieser Herrschaftskutsche, welche schon ganz schön rappelte, noch eine Zeitlang durch die Gegend fuhren, um uns bewundern zu lassen. Damals war die Zeit, da die Zwetschen reif waren. Aber bei uns in Mensfelden gab es keine, nur auf dem Westerwald hingen die Bäume voll. Dies hatten wir auf unserer ersten Fahrt gesehen und den Mensfeldern erzählt. Nun bekamen wir von den Mensfeldern viele Aufträge auf dem Westerwald Zwetschen zu holen. Willi Euler nahm natürlich an. Es reizten ihn nicht die Zwetschen, sondern die Fahrt. Die alte Autokutsche wurde mit Kisten und Körben vollgepackt und schon ging es los auf den Westerwald. Die Leute dort waren froh, dass sie ihre Zwetschen los wurden. Nach ein paar Stunden hatten wir die Staatskarosse vollgeladen.

Auf dem Heimweg gab es wieder viele Neugierige, die glaubten, wir wären große Obsthändler aus Frankfurt oder Wiesbaden. Bergauf schnaufte das alte Vehikel und gab seinen Dampf ab, dass man lange unseren Weg verfolgen konnte. Als der Kühler anfing überzukochen, wurde im nächsten Dorf gehalten und Wasser nachgefüllt. Als wir dann mit der Handkurbel den Motor wieder in Gang setzen wollten, fing er an zu mucken, wir glaubten erst, wir hätten kein Benzin mehr, da wir wussten, dass er ziemlich verbrauch hatten wir zur Vorsicht doch vollgetankt. Da baten wir die 5 - 6 Männer, die um uns standen, sie möchten doch mal anschieben, und schon gab es ein paar laute Knalle und der Motor fing an zu knattern und so erreichten wir am späten Nachmittag mit viel Krach und Qualm die Heimat. Alle freuten sich auf die Zwetschen. Auf unsere Benzinkosten sind wir zwar nicht gekommen, aber es hatte sich doch gelohnt. Dies war die letzte Fahrt dieser Staatskarosse.

Aus ihr wurde nun der erste, tadellos gelungene gummibereifte Ackerwagen mit Pritschenaufbau, auf den der neue Besitzer, der Bauer Wilhelm Schumann in der Fahlerstraße, schon lange wartete. Er hatte lange Jahre Freude an ihm, und wir beide dachten oft, besonders, wenn er uns begegnete, an seine letzte Fahrt.

Obwohl die maschinelle Weiterentwicklung in der Landwirtschaft im zweiten Weltkrieg fast völlig zum Erliegen kam, holte sie umso mehr nach dem Krieg wieder auf. Die Traktoren rollten an, es wurden Melkmaschinen angeschafft, die Vorratsroder und Vollerntemaschinen für den Hackfruchtbau und die Mähdrescher eroberten von Jahr zu Jahr immer mehr das Feld, so dass bis 1965 so viel Mähdrescher da waren, dass die guten alten Dreschmaschinen 1965 das letzte Mal droschen. Den ersten Mähdrescher erstand der Schmiedemeister Euler. Bis 1972 war ihre Zahl auf über zwanzig gestiegen. Sie mähten jährlich über 500 Morgen Frucht in unserer Gemeinde.

Die Kuhgespanne sind schon längst verschwunden, und inzwischen die treuen Zugpferde auch. Hier sei noch aus der alten Zeit folgendes vermerkt:

3 Handvoll geschnittene Frucht ergab eine Klecke

3 Klecken waren ein Orwel (armvoll)

3 Orwel waren eine Garbe und sechzig Garben waren ein Fuder.

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