Am liebsten würde ich dieses Kapitel nicht berühren, weil uns täglich soviel Ungerechtigkeit und Leid in dieser Welt vor Augen geführt wird. Aber gerade deswegen sollen die Zeiten großer Bedrängnis und Not in unserer Geschichte nicht übergangen werden, damit die Nachwelt die sinnlose Vernichtung durch die Kriege erkennt und daraus ihre Lehren zieht. Ganz schlimm war es in der Zeit des dreißigjährigen Krieges 1618 - 1648. Fremde Kriegshorden durchzogen unser Land kreuz und quer. Raub, Mord und Plünderungen waren an der Tagesordnung. Mensfelden hatte auch wie andere Dörfer unserer Heimat in diesen Kriegsjahren viel zu leiden.
Deutschland war vor diesem Krieg ein, der Zeit entsprechendes, wohlhabendes erfolgreiches Land gewesen. Nach dem Krieg glich es einer Wüste. Wie in alten geschichtlichen Überlieferungen berichtet wird, sind damals bis zu 70 % der Bevölkerung in diesem Krieg, an dessen Folgen und Seuchen umgekommen. Die Wenigen, die übrig blieben, fanden leer gebrannte Häuser und verwilderte Felder. Es gab kaum noch Nutztiere, und selbst die waren noch von Seuchen und umherziehenden Räuberbanden bedroht. In diesem Zustand ist auch unser Dorf gewesen; es waren nur wenige, die diese Zeit überlebten.
Nach alten mündlichen Überlieferungen, sollen in unserer Gemarkung vor dem dreißigjährigen Krieg noch zwei kleine Dörfer gelegen haben. Das eine Dorf, das den Namen Weiden hatte, lag zwischen dem Zollhaus und Linter, in der heutigen Weiderborngewann. Das andere Dorf mit dem Namen Klingen soll untig dem Klingerkopf im Mühlbachtal gewesen sein. Beide Dörfer sind, alten Erzählungen nach, im dreißigjährigen Krieg der Vernichtung und den Seuchen zum Opfer gefallen. Von letzterem sind bis jetzt keine Spuren aufgefunden worden, dagegen sind von dem Dorf Weiden noch ein gemauerter Brunnen und Mauerreste vorhanden.
Erwähnenswert sind auch die Revolutionskriege von 1792 - 1799. Es war das französische Revolutionsheer, das schon 1792 und 1795 über den Rhein bis Limburg vorgestoßen war, und erst in Bayern bei Amberg und Würzburg von den Österreichern unter Erzherzog Karl aufgefangen und zurückgeschlagen wurde.
Am 10. September 1796 war einer der aufregendsten Tage der Limburger Geschichte. Erzherzog Karl von Österreich hatte sich mit seinen Truppen am Mensfelder Kopf verschanzt und machte von da aus einen gewaltigen Angriff auf Limburg und Diez, indem er die Franzosen über die Lahnbrücken bzw. Lahnübergänge zurückwarf. Das war die große Schlacht um die Lahnübergänge. In einem Bericht vom 1. März 1796 heißt es; bei dem im vorigen Herbst erfolgten Rückzug der Kaiserlichen und bei dem Vorrücken der Franzosen, haben die Mensfelder Unterthanen einen großen Verlust an Pferden, Ochsen und Fuhrwerken, teils auf Vorspann, teils durch Plünderungen erlitten. Es waren 32 Bauern aus Mensfelden, denen man ihre Zugtiere und Wagen abnahm. Ihr Antrag auf Entschädigung bei ihren Landesherren fand nur wenig Gehör. Man wollte nur den Verlust anerkennen, wenn auf Befehl des Schultheißen Gespanne gestellt werden mussten. Plünderungen wurden nicht anerkannt.
Durch die jahrelangen Belagerungen und Abgaben kam unsere Heimat wieder in Not und Armut.
In den Befreiungskriegen 1812/13 wurde unser Dorf abermals durch Abgaben und Plünderungen von den Franzosen und Russen schwer heimgesucht. Als ich noch ein Schuljunge war, erzählte uns unser Hausvorgänger, Georg Hatzmann, dass sein Vater 1812/13 erlebte, wie die Russen beim Durchmarsch die bunten Scheiben des Gerichtssaales Mittelstraße 11 herausbrachen und mitnahmen.
Auch von einer unblutigen Revolution aus dem Jahre 1848 wird berichtet, wobei es zu einigen Aufständen in Berlin, Sachsen und Baden kam, die aber ohne große Verluste bald unterdrückt wurden.
Im April und Mai 1848 hat man alle deutschen Länder aufgerufen ihre Vertreter für die Frankfurter Nationalversammlung zu wählen. Bereits am 18. Mai kamen die neugewählten Vertreter des deutschen Volkes zu ihrer ersten Sitzung in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Etwa 600 Abgeordnete versammelten sich in der Paulskirche in Frankfurt. Der Bundestag wurde für aufgelöst erklärt und eine Reichsverfassung beraten, nach der das geeinte Deutschland regiert werden sollte. Die Abgeordneten der Nationalversammlung setzte sich aus drei Parteien zusammen; eine demokratische Linke, Rechte und Mitte. Die Bürger des Herzogtums Nassau hatten sechs Abgeordnete gewählt, die als ihre Vertreter an der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche teilnahmen. Unter den sechs Abgeordneten war der aus Mensfelden stammende Karl Philipp Hehner, der zu dieser Zeit Regierungsrat in Wiesbaden war. Hehner gehörte den Liberalen (demokratischen Mitte) an.
Die von der Nationalversammlung beratene Reichsverfassung wurde von den meisten deutschen Staaten nicht angenommen. Die Nationalversammlung löste sich schließlich auf. Ihr Versuch eine Einigung Deutschlands herbeizuführen, war gescheitert.
Am Kriege 1866, als die Nassauer an der Seite Österreichs gegen Preußen standen, nahmen auch 9 Bürger aus Mensfelden teil. Lange Zeit lagen die nassauischen Truppen als Verbündete Österreichs bei Zorn und Langenschwalbach. Die hiesigen Einwohner brachten ihren Angehörigen Lebensmittel. Christian Schwenk aus der Schlimmstraße fiel bei Aschaffenburg. Weil es ein Bruderkrieg war, wurde sein Name später nicht mehr genannt.
Am Krieg 1870/71, Preußen gegen Frankreich, nahmen 22 Kriegsteilnehmer aus Mensfelden teil, außer Philipp Zollmann, sind alle heimgekehrt. Philipp Zollmann ist am 2. September 1870 in Dijon (Frankreich) an Typhus gestorben. Für ihn hatte man eine Gedenktafel in der Kirche befestigt.
Der erste Weltkrieg 1914 - 1918
Am 1. August 1914 wurde ein Plakat an der Post aufgehängt darauf stand, dass der 2. August 1914 der erste Mobilmachungstag sei. Die Reservisten sowie Landsturmmänner hatten inzwischen schon ihre Kriegsbeorderung erhalten, bei welchem Truppenteil sie sich zu melden hatten. Der große Optimismus der anfangs noch viele begeisterte, ließ im Laufe der Kriegsjahre, immer mehr und mehr nach. Nur alte Leute, Frauen und Kinder blieben für die schwere Feldarbeit zurück, bis dann die Kriegsgefangenen kamen und ihnen zugeteilt wurden. Es folgten Notverordnungen, es wurden Karten für Nahrungsmittel und Kleidung ausgegeben. Die besten Pferde mussten abgegeben werden, Zugochsen und Kühe kamen als Ersatz für die schwere Feldarbeit. Es folgte der Aufruf Gold geb ich für Eisen. Auch dies wurde hingenommen, man spendete Trauringe und Schmuck und zeichnete Kriegsanleihen. Kupferkessel mussten abgeliefert werden, sogar die zwei kleinen Glocken wurden aus dem Turm geholt und eingeschmolzen.
In der Turnhalle waren die Kriegsgefangenen, welche in der Landwirtschaft und in den Gewerbebetrieben eingesetzt waren, untergebracht.
Doch das Schlimmste was uns betraf, waren die Hiobsbotschaften von der Front: Väter und Söhne waren unter den Gefallenen, Trauer herrscht in vielen Familien. Es waren 28 junge Männer, die im Krieg 1914/18 ihr Leben für die Heimat an verschiedenen Fronten ließen. Der Krieg war verloren, Not, Leid und unheilbare Wunden, die der Krieg geschlagen hat, blieben zurück.
Zu den Besatzungslasten kam 1923 die Inflation, alle Ersparnisse gingen verloren. Die alte Reichsmark kletterte in ihrer Indexwährung bis zu einer Billion. Die darauffolgende Verarmung führte in den Jahren 1927 - 1930 zur großen Arbeitslosigkeit. Es waren etwa 5 - 7 Millionen Arbeitslose, die um ihre Zukunft, Existenz und Erhaltung ihrer Familien bangten, was schließlich zum politischen Chaos führen musste. In dieser Situation konnten der Nationalsozialismus und Kommunismus gewaltig anwachsen.
Nachdem jedoch das nationale Gefühl im Volk stärker war, weil der alte Preußengeist noch lebte, war es nicht zu vermeiden, dass der Nationalsozialismus mit Hitler stärker hervorging und somit 1933 an die Macht kam. Die Wenigsten ahnten die Folgen der Machtergreifung durch Hitler, der sich Führer und Reichskanzler nannte. Nur die Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Aufschwung beseelte die Masse. Der Aufstieg der Hitler Diktatur führte uns zwar wieder zu Wohlstand aber durch die gewaltige Aufrüstung zog man sich den Hass der Völker Europas zu, es kam zum zweiten Weltkrieg. 1937 setzten die Judenverfolgungen ein. Von den sieben Judenfamilien in Mensfelden zogen drei rechtzeitig aus, die anderen fünf Familien wurden verschleppt.[1]
Der zweite Weltkrieg 1939 - 1945
Am 1. September 1939 begann der Blitzkrieg gegen Polen. Vom Westen rückten die deutschen Truppen über die Grenze, vom Osten kamen die Russen, Ende September war Polen bereits besiegt. Bevor 1940 der Krieg mit Frankreich begann, müssten die Grenzbewohner des Saargebietes ihre Heimat verlassen. Etwa Mitte September wurden 10 Familien mit Pferd und Wagen aus Fellerich (Kreis Saarburg) nach Mensfelden umquartiert. Auch dieser Krieg, der anfangs von Begeisterung durchdrungen war, bestärkt durch die großen Siege in Polen und Frankreich, artete bald durch seine Grausamkeit und nach der verlorenen Schlacht um Stalingrad, zu einem verzweifelten Ringen aus. Wie im ersten Weltkrieg waren unsere Wehrpflichtigen in allen Fronten eingesetzt. Die Heimat musste wieder große Opfer an Menschen und Material bringen. Unermessliches Leid kehrte in unsere Häuser ein. Diesmal waren es nicht die Fronten allein, die ihre Opfer forderten, sondern auch die Heimat war durch die englische und amerikanische Luftwaffe einer erbarmungslosen Vernichtung preisgegeben. In den Jahren 1944/45 wurden fast alle größeren Städte verrichtet. Hunderttausende kamen im Bombenhagel um. Selbst die Landbevölkerung wurde von den Bomben nicht verschont hatte Tote zu beklagen. Unser Nachbardorf Nauheim hatte durch einen Bombenteppich große Verluste und Sachschaden, Mensfelden dagegen hatte Glück. Nur das alte Zollhaus wurde durch Artillerie-Beschuss zerstört.
Zum Glück kamen keine Menschen zu Schaden, auch die Bomben verschonten unser Dorf und fielen ins Feld.
Der totale Krieg brachte im Mai 1945 den totalen Zusammenbruch Deutschlands. Achtundfünfzig Männer, Väter und Söhne aus Familien von Mensfelden, kehrten nicht mehr zurück, irgendwo in weiter Ferne starben sie für ihre Heimat. Die Welt hatte nichts gelernt, anstatt Frieden, schufen die Siegermächte neuen Hass, indem sie unser Vaterland aufteilten tausende Sudetendeutsche und Ostdeutsche aus ihrer Heimat vertrieben.
1948 wurde wiederum das Geld entwertet. Mit 40 DM musste jeder neu beginnen. Immer neue Flüchtlingswellen zogen in den Westen, Tausende standen täglich an den Lebensmittelgeschäften Schlange. Trotzdem wuchs wieder neues Leben aus den Ruinen. Damit die Nachwelt diese unsinnige Vernichtung und das Leid nicht vergisst, haben wir unseren Toten der beiden Weltkriege am 23. Februar 1953 ein Ehrenmal errichtet.
- ↑ Die Summe der erwähnten Familien stimmt nicht mit der Gesamtsmme überein